Teil 6


24.06.19 – 30.06.2019

Diese Woche haben wir Prof. Dr. Staudt (Leitender Chefarzt der Neuropädiatrie) kennengelernt.
Er hat sehr ausführliche Fragen gestellt und spielerisch kleine Teste mit Mirko gemacht.
Sonst haben wir auch noch ganz viele tolle Sachen erlebt.

Bei der Phyisiotherapie zum Beispiel kam das „Schwingende Pferd” zum Einsatz. Hiermit soll die Aufrechterhaltung des Oberkörpers gefördert werden. Ausserdem ist Mirko auch die Rollenrutsche hinunter gerutscht und an den Schaumstoffwürfeln hoch geklettert.




An einem anderen Tag wurde Mirko auf den Stehtisch mit Rüttelplatte (auch Galileo genannt) gestellt, aber das gefiel ihm überhaupt nicht. Er hatte Angst und weinte. Ob ihm die aufrechte Position vielleicht Schmerzen bereitete, oder ob er schwindelig wurde, konnten wir nicht so recht erkennen. Er hat sich dann aber mit einem Spiel ablenken und beruhigen lassen.
Der Zweck des Galileo ist es die Rezeptoren an den Füssen zu stimulieren, damit die Nerven wieder erfolgreich Nachrichten vom Gehirn zu den Füssen übertragen können.

Dann gab es das Highlight der Woche!! Mirko ist bei der Physio Fahrrad gefahren!! Es ist ein Therapiedreirad mit Rückenstütze und Gurt, und Fußschnallen. Es war für ihn ein besonderes Erfolgserlebnis und es war so schön zu sehen, wieviel Freude er daran hatte.

Bei der Ergotherapie haben wir auch einiges Erlebt. Der Fokus war besonders auf die linke Hand gerichtet, und Mirko durfte verschiedene elektronische Spielsachen betätigen indem er immer auf eine Taste drückte. Dies ist ein Funktionstraining um das Bewusstsein der linken Hand zu fördern.

Einmal war „Filmtag“ - Wir wurden beim Anziehen, Gesicht waschen, Zähne putzen, und Frühstücken gefilmt damit die Terapeutin sehen konnte wieviel Mirko schon selber kann und was man eventuell verbessern könnte. Auch kann man so nach 8 Wochen besser sehen welche Vortschritte gemacht worden sind.

Bei der Logopädie hat Mirko einen speziellen Strohhalm mit Rückschlussventil bekommen, damit das Saugen und Trinken einfacher wird. Da Mirko seine Lippen noch nicht richtig fest verschliessen kann, braucht er meine Hilfe um das Trinken gut hin zu bekommen.
Durch das Rückschlussventil, rutscht das angesaugte Wasser bei einer Pause nicht wieder runter und beim Weitertrinken, veschluckt Mirko sich weniger, als bei einem normalen Strohhalm.
Wir haben ja immer noch das ganz grosse Ziel die Magensonde (PEG) bald zu enttfernen, aber leider geht das erst wenn Mirko selber genug Flüssigkeit mündlich zu sich nehmen kann.



Bei der Chefarztvisite wurde beschloßen, das wir nun das Anti-Epileptikum (Epilim) über eine Woche schrittweise absetzen können.
Die Ergebnisse der 2 Schlafentzugs EEGs waren zufriedenstellend, d.h. Mirko hatte ein paar Tiefschlafmomente in denen es genug Infos gab, und keine „versteckten“ epileptischen Anfälle zu erkennen waren.
Ein Schlafentzugs EEG wird gemacht wenn der Verdacht auf nicht äußerlich sichtbare epileptische Anfälle besteht.
Epilim (Wirkstoff: Valporinsäure) ist ein sehr starkes Medikament und da Mirko nur eine minimale Dosis davon bekam, waren die Ärtze (mit ca 30 Jahren Erfahrung auf diesem Gebiet), der Meinung das man es eigentlich absetzen kann, weil es die Gehirnfunktion unterdrückt. Da Mirko auch noch einige Wochen in der Klinik bleibt, kann man ihn weiterhin beobachten, und zur Not kann das Anti-Epileptikum wieder verschrieben werden.

An einem Nachmittag als Mirko keine Therapie bekam, haben wir einen Ausflug nach Wasserburg zum Eis essen gemacht, und an einem andren Nachmittag als es mega heiß war, sind wir im See schwimmen gewesen. Mirko freut sich jedes Mal riesig auf das Wasser und paddelt auch echt gut mit seinem rechten Arm und stramplet kräftig mit beiden Beinen.

Jeden Donnestag Nachmittag gibt es einen Musikkreis im Garten von der Rehaklinik. Hier bietet sich eine fröhliche Gelegenheit andere Eltern und ihre Schicksale kennenzulernen, Erfahrungen auszutauschen und einander Mut zu zusprechen.
Dort lernte ich eine Frau kennen die seid 4 Jahren immer mal wieder mit ihrer Tochter, die ein Beinahe-Ertrunken Oper ist, in die Reha kommmt. Es gab auch noch ein weiteres Ehepaar, mit einem Sohn, der seinen 2. Geburtstag feierte, und vor 6 Wochen fast ertrunken war. Ich konnte ihnen Mut zusprechen, denn das Trauma was sie gerade durchlebten, hatten wir schon hinter uns.
Obwohl ich immer noch mit dem Gedanken kämpfe – Warum passiert uns sowas?? Warum mein gesundes Kind, dem noch alles bevorsteht. Wo ist der Knopf zum Zurückspulen damit alles wieder wie vorher ist..??
Aber sehr oft, im Alltagsablauf der Klinik, wird mir wieder bewußt, das es sehr viele schlimmere und härtere Schicksalsfälle als unseres gibt… Kinder die wirklich schwer behindert sind, keinerlei Regung oder Emotionen zeigen und einfach nur existieren… und auch für diese Kinder wird hier alles getan und geholfen wo es nur möglich ist.

Am Ende der Woche hatten wir einen Termin mit Prof. Dr. Staudt, der uns den CT Scan nochmal ausführlich erklären wollte. Die aktuelle Diagnose war folgende: Die rechte Gehirnhälfte ist schwer verletzt. Die linke Gehirnhälfte aber total intakt. Dadurch, daß Mirko noch jung ist, können viele Funktionen der geschädigten Gehirnhälfte von der Gesunden übernommen werden. Das traurige aber ist, daß das Stammhirn auf der linken Seite Schaden erlitten hat. Von hier werden der linke Arm, das linke Auge und die Sprach-und Kaufunktionen der Gesichtsmuskulatur gesteuert. Durch die Verletzung sind diese Funktionen nun sehr einschränkt und leider nur bedingt reparabel… Die Prognose: Mirko wird wahrscheinlich lebenslang beim Sprechen und Nutzen des linken Armes beschränkt sein und sein linkes Auge etwas verzögert reagieren. Er wird aber wieder das Laufen lernen und seine kognitive Kompetenz bleibt bestehen. Im Fokus der Therapie steht also, daß sich Mirko mit der Unterstützung digitaler Kommunkationssystemen, auch mit Leuten außerhalb des engen Familienkreises, erfolgreich verständingen kann.

Ich fürchtete mich vor diesem Termin, denn jede „negative“ Diagnose reisst einen wieder in die Tiefe. Wieder fühlt man sich hilflos… wieder weiß man nicht wie es weiter gehen soll… wieder fängt man von vorne an… wieder flließen die Tränen…
Es kommen schreckliche Gedanken hoch… „Mirko wird nicht wieder richtig Fahrrad oder Motorrad fahren können… er wird nicht mehr schwimmen oder klettern können… usw usw usw ...denn dafür braucht man doch 2 gesunde Arme…“
Aber irgendwann fängt man sich wieder und kämpft weiter um Mirko, seiner Schwester und uns eine möglichst schöne Zukunft zu gestalten.

Am Wochende ging es dann aber wieder bergauf. Sehr gute Freunde (Franzi und Johanna) aus München hatten am 28.06.2019 bei ihrem Kindergartensommerfest eine Spendenaktion für Mirko organisiert. Hier möchten wir noch einmal einen herzlichen Dank nochmals, für eure selbstlose Hilfe aussprechen!! Beim Sommerfest sprach uns Klaus Maier an, welcher bei der SpVgg Unterhaching das Sozialprojekt                      „Haching schaut hin“ betreut. Er war sehr berührt von Mirko’s Schicksal und zeigte sofort Hilfsbereitschaft – ich war zu tränen gerührt

Mirko bekam ein Trikot und Schaal von der Spielvereinigung Unterhaching und war gleich auch ein Fan… sofort wollte er das Trikot ertsmal anziehen.



Wir standen seitdem in engem Kontakt und Klaus teilte uns kurze Zeit später erfreuliche Neuigkeiten mit.
Auch in diesem Jahr findet bei der SpVgg wieder der jährliche Inklusionstag statt, an welchem für groß und klein unterschiedliche Attraktionen geboten sind. 
Am 14.7.19 ist es soweit gewesen und erfreulicherweise hat sich die SpVgg Unterhaching dieses Jahr entschieden, die Spendeneinnahmen dieses Jahr an Mirko (uns) weiterzugeben. Die Einnahmen, die „Haching schaut hin“ durch Spendenaufrufe und dem Inklusionstag einnehmen, sollen uns am 3.8.19 beim 2. Heimspiel gegen Hansa Rostock in der Halbzeit per Scheck übergeben werden.  

Wir waren wieder einmal sprachlos, über die unerwartete Unterstützung.    Wieder einmal Menschen die uns unter die Arme greifen möchten… unglaublich und aufbauend zu gleich!


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